Kreide und Schwamm sind passé



Hildesheims erste digitale Schultafel steht in der Marienschule
Die Zukunft hat in der Marienschule bereits begonnen: Sarah Brauns zeichnet für Simon Becker an der digitalen Tafel ein, wie schief der schiefe Turm zu Pisa steht. Die Signale des kleinen Stiftes werden per Sensorpunkt und Beamer übertragen. Links im Bild Siegfried Weiss, rechts Uwe B. Schöning vom Förderverein. Foto: P. Hartmann
Hildesheim (ph). Statt Kreide und Schwamm gibt es Joystick und Maus: Hildesheims erste digitale Schultafel steht in der Marienschule.
Das kommt davon, wenn man zu schnell auf den Zug moderner Technik aufspringt: In vielen Schulklassen stehen inzwischen Overhead-Projektoren herum, deren komplizierte und schmuddelige Technik (die für die Folien nötigen Stifte hinterlassen einfach überall ihre Spuren) im Zeitalter von Power-Point und Laptop längst veraltet ist. In anderen Ländern, zum Beispiel Großbritannien, hat man diesen Trend versäumt, dafür steht jetzt mehr Geld für die neueste Schul-Technik zur Verfügung, nämlich die digitale Tafel.
Die meisten Bausteine sind konventionell: Auf dem Lehrertisch steht ein normaler Computer, daneben eine fest montierte Digitalkamera, an der Decke ebenfalls fest montiert ein Beamer (Projektor). Neu ist die weiße Tafel mit vielen kleinen Sensorpunkten, die quasi kitzlig sind, wenn man sie mit einem spitzen Stift berührt (Das heißt in Wirklichkeit ”Touchscreen“ oder auch ”berührungssensitiv“). Dann schicken sie ein Signal zum Computer, der via Beamer die Reizleitung deutlich macht. Natürlich kann man auch einfach 1+1=2 an die Tafel malen, aber dies wohl eher zur Demonstration.
Im täglichen Unterrichtsgeschehen einer siebenten Klasse, berichtet der Lehrer Siegfried Weiß, nutzt man die digitale Tafel vielseitiger: Man kann
• ein Bild, zum Beispiel vom Schiefen Turm zu Pisa abfotografieren, an die Tafel werfen und mit Einzeichnungen, zum Beispiel des Winkels, verändern,
• komplizierte mathematische Aufgaben, etwa in der Geometrie, verdeutlichen, und das wesentlich schneller als mit Kreide und Riesenlineal,
• einen Text, der schriftlich vorliegt (Beispiel Hausaufgabe), unter die Kamera legen und an der Tafel für alle sichtbar weiter bearbeiten,
• einzelne Schüler von ihrem Platz aus per Grafiktablett ihre Gedanken an der ”Tafel“ skizzieren lassen oder
• das ganze Tafelbild für die nächste Unterrichtsstunde abspeichern. Diese Datei lässt sich auch, etwa per Rundmail, allen Schülern zugänglich machen.
Die Technik der digitalen Tafel ist nicht nur in Großbritannien verbreitet. Josef Seitner, Vertriebsleiter der Holler Fachfirma MTS Reinhardt: ”Nur in Niedersachsen gibt es digitale Tafeln sehr selten. In anderen Bundesländern ist man schon weiter. In Offenbach zum Beispiel liefern wir diese Tafeln bereits an Grundschulen.“ Der Fachmann (übrigens nicht Lieferant der Marienschul-Tafel): ”Eine tolle Sache“. Wichtig sei nur, dass das System mit den anderen Programmen kompatibel und der Lehrer interessiert an Informationstechnik sei. Dafür muss Weiß seine Kollegen nicht mehr begeistern: ”Die Anwendung des Programms ist sehr leicht,“ berichtet er.
Heinz Ritter und Günter Helmboldt von der Schulleitung dankten für die Investition Uwe B. Schöning vom Förderverein. Der hat nämlich rund die Hälfte der 11 000-Euro-Investition übernommen. Im übrigen könnte die neue Technik auch traditionelle Schülerstreiche verändern. Einerseits lässt sich die Tafelaufschrift ”Lehrer X ist doof“ blitzschnell abspeichern, andererseits ist der als Strafe verdonnerte Tafeldienst eine Klackssache: Einmal mit Maus oder Stift auf das rote X unten rechts - und die weiße Tafel ist wieder weiß.
Artikel aus "Hildesheimer Allgemeine Zeitung" vom 12.06.2007