So klingt’s mit Nägeln und Filz



Ergebnis eines Seminars: Hommage von Studenten an John Cages präpariertes Klavier Von Anna Punke
Der Gedanke ist einfach, die Wirkung groß: Metall und Tennisbälle auf den Saiten des Klaviers erzeugen ungewohnte Klänge.
HILDESHEIM. Als der Komponist und Musiker John Cage 1940 die Begleitmusik für eine Tanzvorführung spielen sollte, hätte er sich sicherlich andere Rahmenbedingungen gewünscht: Geplant war an Schlagzeuginstrumente gebundene afrikanische Musik. Platz gab es in dem Theater aber nur für ein Klavier. Was blieb ihm da anderes übrig, als aus dem einen Instrument das herauszuholen, was er brauchte? Und so war kurzerhand das präparierte Klavier erfunden. Cage steckte einfach Gegenstände zwischen die Saiten des Klaviers und erzeugte damit schlagzeugartige Klänge und Geräusche.
Ausgehend von einem der wichtigsten Vertreter dieser unkonventionellen Klangtechnik beschäftigten sich in diesem Semester 22 Musikstudenten der Universität unter der Leitung von Jan Hellwig und Matthias Rebstock mit dem präparierten Instrumentenbau in der Neuen Musik. Sie hörten zunächst Werke und analysierten sie, um Zugang zu dieser Welt von Klangspektren zu bekommen. Denn die Manipulationen, wie sie Cage und bereits vorher sein Lehrer Henry Cowell vollzogen, zeigten der Klaviermusik in der damaligen Zeit vollkommen neue Perspektiven auf, ja revolutionierten sie.
Tonsysteme und -skalen, Harmonien und Melodien verloren an Bedeutung, ursprüngliche Farben der Töne wandelten sich drastisch und ließen sich oft kaum mehr als solche erkennen. Das Klavier klang nun perkussiv bis glockenartig. Dem Pianisten gibt das die Möglichkeit für eine äußerst virtuose Ausdrucksweise auf seinem Instrument.
Cage arbeitete mit Gegenständen des Alltags, von Schrauben über Filzfasern bis zu Kuchenplatten. Auch die Studenten probierten die Verwendung von Fremdmaterial aus und waren von der Wirkung verblüfft: ”Ich fand dabei sehr spannend, dass sich die Klangeindrücke öffnen. Klänge sind nicht mehr nur Töne, sondern einfach alles, was einen umgibt“, betont Dagmar Neumann. So übersetzte Cage das englische Wort ”sound“ auch mit Klang und Geräusch, wie die Seminarteilnehmer lernten.
Seinen Fokus auf Klangfarbe, Rhythmus und die Befreiung von musikalischer Logik versuchten die Studenten bei der eigenen Improvisation umzusetzen. Denn nach der Theorie folgte die Praxis. Interessante Stücke von Cage und weiteren Vertretern der präparierten Instrumente wurden ausgesucht, selber musiziert - und sogar eigene Stücke komponiert. Dabei bauten die Studierenden Instrumente um oder auch neu.
Und wie während der Präsentation in Choralei der Marienschule, Kreuzgang und Kirche zum Heiligen Kreuz die Kreuzform musikalisch umgesetzt wird, es bleibt Geheimnis bis zum Konzert.
Das Ergebnis des Klangexperiments stellen die Studenten heute um 20 Uhr in dem einmaligen Konzert ”präpariert!“ vor. Neben Stücken von Cage erklingen Werke von Luciano Berio, Ryo Noda und Steve Reich sowie Eigenkompositionen. ”Klangräume“ sind die Choralei der Marienschule, der Kreuzgang und die Kirche Zum Heiligen Kreuz. Der Eintritt ist frei.
Artikel aus "Hildesheimer Allgemeine Zeitung" vom 04.07.2007