Die Titanic rettet den letzten Eisberg


Theater AG der Marienschule zeigt originelles eigenes Stück
Szenen von der neuen Titanic - Kreuzfahrt: Drei Nonnen wollen den letzten von der Klimakatastrophe noch verschonten Eisberg retten, indem sie ihn mit der Titanic in kühlere Gewässer schleppen. Dies kommt auch den Chemikern auf dem Schiff entgegen, hat doch in diesem Eisberg ein Kollege aus ihrem Labor gefährliche Mikroben eingefroren.
Natürlich muss dazu der Kapitän solange mit seiner Angebeteten, der Diva (elegant: Josina Korf), in der Abstellkammer ausharren, damit die Nonnen das Schiff steuern können. Macht nichts, denn dort findet sich ja das lang vermisste Bobbycar, mit dem der Kapitän (immer Gentleman: Christina Lemme) endlich wieder eine Runde drehen kann. Klingt ziemlich verrückt, ist aber eher eine skurrile Mischung aus Parodie und Dokusoap, die die Mittelstufen Theater AG der Marienschule unter der Leitung von Carsten Axmann und Mareike Sasse ersonnen hat. Eine Reihe von Typen aus dem bekannten Figurenarsenal der Vorabendfernsehserien, von Gangstern über Touristen bis zu Großvater und Großmutter wird konfrontiert mit realistischen Figuren aus dem Alltag der Schülerinnen und Schüler. Alle werden genau beobachtet mit ihren kaum merklichen Zickigkeiten ebenso wie mit ihren auffälligen Marotten, vom kurzen, aber lautstarken Streitgeschrei bis zur herrlich umgesetzten Putzfimmelobsession mit musikalischer Untermalung, die das Genre der musikalischen Revue anklingen lässt. Viele kleine Szenen ergeben so eine amüsante Collage voller Kleinkunst.
Frech kombiniert das Stück verschiedene Stile, mal Klamotte zum Motiv der verschwundenen Koffer, mal sozialkritisches Ökodrama , dann wieder Improvisationsszene.
Dem Zuschauer wird’s nie langweilig, schon weil er nicht immer weiß, woran er ist - aber das
ist gewollt. Mancher Handlungsfaden führt in die Irre oder wird plötzlich verlassen. Das Hauptmotiv - die Rettung des letzten Eisbergs vor der Klimakatastrophe - wird relativ spät deutlich, ordnet dann aber auch die Handlungsstränge. Das große Ensemble schielt kaum auf das Publikum, sondern zeigt einfach, dass ihm die Entwicklung eigener Kreativität im Theaterspiel riesigen Spaß macht. Unbekümmert verlangt man vom Zuschauer nicht weniger Vorstellungskraft als von sich selber: Da wird ein Steuerrad auf die Bühne geschoben, schon wird aus der Kabine ohne jeden Umbau die Brücke des Kapitäns; eine große Pappe, deutlich als ehemaliges Paket zu erkennen, wird bei den Schauspielern zur Wand - einfache Mittel, aber ungeheuer wirkungsvoll, da sehr gezielt und treffsicher eingesetzt. Größere Kulissen bleiben halt durchgehend auf der Bühne und tatsächlich schaffen es Stück und Schauspieler trotzdem immer wieder, unnötige Requisiten auszublenden und die Konzentration auf die Spielszene herzustellen. Aufwändig und liebevoll sind Kostüme und Maske gestaltet: Viele der Spieler ziehen sich mehrfach um, und die drei Nonnen zeigen allein über ihre wechselnde Kostümierung, was eine Kreuzfahrt aus den Passagieren so alles machen kann: Von braven Schwestern über Vamps bis zur souveränen Synthese aus beidem.
Dem Publikum wird einiges abverlangt, es muss sich rasch immer wieder auf etwas Neues gefasst machen, möchte gern mehr lachen, wird aber nicht immer gelassen und bleibt einige Male ratlos bis nachdenklich, aber es geht mit, hier und da staunend., dann wieder überrascht, reagiert auf die Pointen und spart zurecht nicht mit großem Beifall. Das ist
Jugendtheater, wie es sein soll: Unverfälschte Mitteilung aus der Kreativität eines engagierten Ensembles.
Artikel aus "Hildesheimer Allgemeine Zeitung" vom 08.03.2008