20 Jahre deutsch-französischer Schüleraustausch


”Willkommen an unserer Schule“
« Bienvenue dans notre établissement » :
20 Jahre deutsch-französischer Schüleraustausch:
Marienschule Hildesheim
Lycée Cours Pierre Termier Lyon
1986 - 2006
1985 wurden die Pläne der Schulleiterin der Marienschule, Sr. Genovefa Heptner, und der Fachschaft Französisch konkret: Kontakt aufzunehmen mit einer französischen Schule, um den schon länger von Eltern und Schülern geäußerten Wunsch nach einem Austausch zu verwirklichen.
Dank persönlicher bis in die Studienzeit zurückreichender Freundschaften gelang es Frau Siedenburg über den damaligen Direktor des ”Enseignement libre“, M. l´abbé Paul Forêt, in Lyon eine katholische Privatschule zu finden, die den Hildesheimer Wunsch teilte. Am 13. Juni 1985 trafen sich auf der Place Bellecour in Lyon, vor der berühmten Buchhandlung Decitre, Pascale Carrolle und Barbara Siedenburg, die spontan ihre ”Wahlverwandtschaft“ erkannten, d.h. ihre ”Chemie“ stimmte, was sich in den kommenden Jahren immer wieder bewähren sollte.
Das folgende Treffen mit M. Ledentu, dem Direktor des ”Cours Pierre Termier“ vertiefte und erweiterte diesen Eindruck. Ihm wie uns lag die Verwirklichung einer ”europäischen Vision“ mit dem besonderen Akzent des Brückenschlags nach Deutschland am Herzen. Diese ”Vision“ hatte schon die Gründerin der Schule Thérèse Rivollier (1932) bewegt und ebenso den Namensgeber Pierre Termier (1859-1930), einen Lyoneser Geologen. Deshalb war auch Deutsch lange Jahre erste Fremdsprache (heute neben Englisch) an dieser Schule.
In den Osterferien 1986 fand der auf beiden Seiten erhoffte und gründlich vorbereitete erste Austausch statt, dem bald die offizielle vom Kultusministerium anerkannte Partnerschaft beider Schulen folgte. Aus den weit über 50 Anmeldungen wählten die beiden Begleiterinnen Annegret Lax und Barbara Siedenburg durch das Los 25 Teilnehmerinnen aus.
Ein während des zweiwöchigen Aufenthalts entstandenes Gedicht ”L´Amitié“ und der auf der Wandzeitung des Eingangs der Schule daneben veröffentlichte Dialog ”Toi“ mögen die überaus freundliche, ja begeisterte Atmosphäre dieser Begegnung anschaulich machen:
Freundschaft
Deinen Namen habe ich in mein Heft geschrieben,
Doch die Seite ist fortgeflogen.
Deinen Namen habe ich in einen Baum geritzt,
Doch die Rinde ist abgefallen.
Deinen Namen habe ich in den Sand geschrieben,
Doch das Meer hat ihn weggespült.
Deinen Namen habe ich in einen Acker geschrieben,
Doch man hat das Feld umgepflügt.
Deinen Namen habe ich einem Vogel auf die Flügel geschrieben,
Doch der Vogel ist davongeflogen.
Dann habe ich Deinen Namen in mein Herz geschrieben Und darin ist er geblieben.
* * * * * * *
Du
Wie heißt du? Liebe.
Woher kommst du? Aus tiefstem Herzen.
Hast du Geschwister? Ja.
Wer sind sie? Glück und Gunst.
Was tust du genau? Ich liebe.
Jeden? Nein.
Wen also? Dich!
Dem ersten, sehr erfolgreichen Austausch folgten anfänglich (insgesamt dreimal) jedes Jahr weitere, abwechselnd in Lyon und Hildesheim, später wegen organisatorischer Schwierigkeiten alle zwei Jahre. Inhaltlich bestimmten geschichtsrelevante, sozusa-gen europäische Themen das Austauschprogramm. In Lyon begann es traditionell mit einem Blick von Fourvière herab auf Stadt und Stadtgeschichte (Besuch des Musée Gallo-romain): Lyon als Stadt der Römer. Der Gang durch die Altstadt des Vieux Lyon ließ die Stadt der Renaissance erleben, die ”Maison des Canuts“ die Stadt der Seidenweberei und das ”Hôtel-Dieu“, die Stadt der Medizin. In Hildesheim bestimmte die ottonisch-bernwardinische Vergangenheit die Besuche im Dom und in St. Michael als Stätten des Weltkulturerbes; der Gang in die Ägypten-Sammlung des Roemer- und Pelizaeus-Museums konfrontierte mit uralten Zeugnissen der Kunst und Kultur, während die Fahrten an die damalige innerdeutsche Grenze (Helmstedt, Hornburg) die aktuelle politische Unkultur bewusst machten; nach der Wende wurde natürlich Berlin ein begehrtes Reiseziel.
Während der achtziger bis in die Mitte der neunziger Jahre begleiteten Annegret Lax und Barbara Siedenburg den Austausch, danach Jutta Zimmer, Eva Busse, Maria Kurth, Anette Klante, Rainer und Anne Nimsch; auf der französischen Seite die unermüdliche Organisatorin Pascale Carrolle, häufig begleitet von Martine Tisson, des weiteren Françoise Lemaire, Marie-Pierre Alirand, Marie Ledentu, Guy Ledentu, Jean Rolland und Isabelle Wissler.
Der direkte Erfolg des Austausches zeigte sich in den Kurswahlen, bei denen Austauschschüler häufig Französisch als Leistungsfach wählten, französische Schüler im Abitur als ”specialité: Allemand“. Persönliche Freundschaften und Briefkontakte dauern bis heute fort.
Das Chronogramm für M. Ledentu anlässlich seines Besuches in Hildesheim 1997 betont noch einmal den europäischen Akzent des Austausches:
Vt fLoreat eXoptat sChoLa hILDensIs
In sensV eVropeo
VenerabILI LVgDVno DIreCtorI
MCM*IIIC
1997